Montag, 12. Februar 2018

Gounod - Roméo et Juliette, 11.02.2018

Gounods Oper konzertant ohne Bühne und Regie
Viele blieben der gestrigen Aufführung fern, circa die Hälfte der Sitze blieb bei der Premiere gähnend leer. Dafür gibt es gute Gründe. Nichts spricht gegen konzertante Opernaufführungen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Nach der gestrigen konzertanten Aufführung von Gounods Roméo et Juliette sollte man sich aber nicht billig von der Intendanz des  Badischen Staatstheaters abspeisen lassen. Um Opern auf die Bühne bringen zu können, ist ein immenser Aufwand von Nöten: man braucht Sänger als Solisten, man braucht einen Chor und ein Orchester. Da kommt einiges zusammen, gestern z.B. waren ca. 120 Künstler auf der Bühne. Aber dem nicht genug, das Badische Staatstheater hat für das Große Haus ca. 50 Bühnenhandwerker, 10 Mitarbeiter in der Requisitenabteilung, die Kostümabteilung umfaßt Schneider, Schuhmacher, Hutmacher, Waffenmeister, man hat Maskenbildner, eine Transportabteilung, Bühnen-, Licht- & Tontechniker - es ist alles vorhanden und wird bezahlt, seit Jahrzehnten hat man ein hohes Leistungsvermögen und stemmt problemlos szenische Neuproduktionen. Wieso wird nun auf einmal eine Neuproduktion konzertant aufgeführt? Wieso kann das Badische Staatstheater seine Mitarbeiter hinter der Bühne nicht mehr beschäftigen? Was ist schief gelaufen bei Intendant Spuhler? Und wieso werden denn die Eintrittspreise nicht gesenkt, wenn man dem Publikum weniger bietet? Als Zuschauer darf man sich auf den Arm genommen fühlen.
Wieso gibt es keine Transparenz? Wer nach einer Entschuldigung oder Rechtfertigung des Intendanten für die konzertante Oper sucht, wird nicht fündig, eine schlüssige Erklärung steht aus. Die Stadt Karlsruhe will sparen und hat das Budget des Staatstheaters minimal gekürzt. Ca. 80% der Betriebskosten eines Theaters sind Personalkosten, die Produktionen verschlingen nicht so viel Geld. Doch selbst wenn manche meinen, daß aufgrund der Einsparungen das Geld für etwas Material, eine Idee und einen Regisseur fehlt - vor der Intendanz von Peter Spuhler wäre das eine Herausforderung gewesen, der sich jemand aus dem Haus gerne gestellt hätte. Man hatte früher Mitarbeiter, die die Chance genutzt hätten, um sich als Regisseur zu profilieren. Die Geschichte von Romeo und Julia stellt inszenatorisch keine unüberwindbare Hürde dar, an die sich nur wenige trauen. Nun hat man eine eunuchisch wirkende Theaterleitung, die zwar vielleicht weiß, wie es geht, sie können es aber nicht selber.
Knappes Geld kann tatsächlich nicht der Grund sein, denn man leistet sich genug am Badischen Staatstheater. Man gönnt sich bspw. ein Volkstheater als Sparte mit verschwindend geringen Zuschauerzahlen und man hat seit eineinhalb Spielzeiten einen "Chefdramaturgen" der meines Wissens bisher für keine einzige Abo-Produktion in Erscheinung getreten ist und gerade in Zeiten knappen Geldes sollte halt auch ein "Chef" Leistungen (und vorbildhafterweise mehr nachweisliche Leistungen als seine Angestellten) für das Publikum vorweisen. Geld ist also vorhanden, Not herrscht offensichtlich keine.
Wieso bringt man also in Karlsruhe eine konzertante Oper? Was steckt dahinter? Mißwirtschaft, Fehlplanungen oder das Desinteresse am Opernbetrieb? Die Vielfalt des Opernangebots wurde in den vergangenen Jahren durch Intendant Spuhler stark verringert, ohne Angebot gibt es keine Nachfrage - einige Opernbesucher schauen sich in den letzten Jahren nach Alternativen in der Region um, die Karlsruher Oper hat an Attraktivität verloren. Und man kann sich die Frage stellen, ob man -gerade in Zeiten knapperen Geldes- mit einer konzertanten Oper nicht viel mehr gut zahlendes Publikum und Umsatz verliert, als man während einer ganzen Spielzeit bspw. mit dem Volkstheater verdient.
Konzertante Oper? In diesem Fall eine weitere krasse Fehlentscheidung des Intendanten. Manche mögen meinen, die Ursache ist psychologisch, eine beleidigte Leberwurstintendanz quengelt und ist trotzig, weil die Stadt ihr etwas Budget weggenommen hat. Die Folgen sollen die Zuschauer zu spüren bekommen. Wenn der Intendant gewollt hätte, würde der Opernbetrieb normal weiterlaufen. Und ist nicht genau das die Essenz der unzureichenden Intendanz von Peter Spuhler? Die Inszenierung des Ego, die Instrumentalisierung des Theaters zum Zweck der Selbstdarstellung. Es geht nicht um das Wesentliche (Qualität, Künstler, Zuschauer), sondern um das Opportune des eigenen Vorteils (Karriere, Aufmerksamkeit, ideologische Belehrung). Gestern entschied sich der Intendant erneut gegen die Oper. Das fernbleibende Publikum hat die Botschaft verstanden.

Fazit (1): Konzertante Aufführungen und verringerte Vielfalt an der Karlsruher Oper? Intendant Spuhler entfreudet seit einigen Jahren den Karlsruher Theaterbetrieb, nun hat er eine neue Variante als Spielverderber gefunden. Man kann der Karlsruher Intendanz nur durch Humor angemessen begegnen. Negativ-Preise haben ihren Namen auffallend oft nach Gemüse oder Obst: Saure Gurke, Goldene Himbeere (die 'razzies'), Fauler Apfel, Rotten Tomatoes. Für die Fehlentscheidung, die Vielfalt der Karlsruher Oper zu reduzieren, hat auch Intendant Spuhler einen Award verdient. Mit überreifen Tomaten und faulen Eiern hat man früher die Leute von der Bühne verjagt, die dort nicht hingehören - diese faulen Eiertomaten gebühren der Karlsruher Intendanz und fliegen hier in digitaler Form.
 
Gounods Roméo et Juliette wurde zuletzt 2000 in Karlsruhe szenisch produziert, Natalia Melnik sang die Julia, Douglas Nasrawi den Romeo, Oliver von Dohnányi dirigierte, Regisseur war Patrick Guinand. Die Uraufführung der Oper erfolgte im April 1867 anläßlich der Weltausstellung in Paris und wurde zu einem großen Erfolg für Gounod; ca. 500 Aufführungen erlebte dieses Oper in den kommenden 30 Jahren in der französischen Hauptstadt. Das Großherzogliche Hoftheater präsentierte sie bereits im März 1868 dem Karlsruher Publikum.

Was ist zu sehen?
Nix. Die Sänger interagieren miteinander von ihren Notenpulten aus oder deuten das Bühnenspiel an. Sie bemühen sich darum, das sterile Flair der konzertanten Aufführung etwas zu durchbrechen

Was ist zu hören?
Die Sänger sind hoch engagiert und versuchen, das fehlende Geschehen zu kompensieren. Gounods Oper hat nur zwei Hauptrollen: Uliana Alexyuk hat die Julia schon bei Bellini gesungen, die Juliette Gounods liegt ihr ebenso gut, der Roméo von Eleazar Rodriguez harmoniert mit ihr stimmlich, szenisch bzw. als Paar auf der Bühne. BRAVO! Wenn man Alexyuk und Rodriguez hört, bedauert man umso mehr, daß der Intendant ihnen die Inszenierung verweigerte. Die beiden neuen Ensemble-Mitglieder Alexandra Kadurina und Nicholas Brownlee machen positiv auf sich aufmerksam, dazu bspw. die routinierten Armin Kolarczyk als Mercutio, Avtandil Kaspeli als Frère Laurent und Daniel Squeo am Dirigentenpult - alles in allem eine runde Darbietung auf hohem Niveau.

Fazit (2): Das Zuhören lohnt, Sänger uns Musiker beweisen, daß sie eine Inszenierung verdient gehabt hätten. Die Leidtragenden der Karlsruher Spielverderber-Intendanz sind Publikum, Künstler und das Theater als Institution.

PS (1): Jetzt reicht's aber mal mit Romeo und Julia. Bellini, Delius, Gounod, Prokofjew - vier Versionen in wenigen Jahren sind genug.

PS (2): In der Oper gönnt man sich eine längere Produktionspause. Händels Alcina hat am 16.02. Premiere, dann über drei Monate später erfolgt erst die nächste Premiere, nach 106 Tagen (das entspricht der Premierenpause im Sommer zwischen Juli und Oktober) kommt am 03.06.2018 Donizettis Anna Bolena.

Besetzung:
Roméo: Eleazar Rodriguez
Juliette: Uliana Alexyuk
Frère Laurent: Avtandil Kaspeli
Mercutio: Armin Kolarczyk
Stéphano: Alexandra Kadurina
Count Capulet: Nicholas Brownlee
Tybalt: James Edgar Knight
Gertrude: Ariana Lucas
Le Duc du Verona: Yang Xu
Paris: Konstantin Ingenpass a.G.
Gregorio: Kammersänger Edward Gauntt
Benvolio: Cesar del Rio Fuentes / Manuel Oswald

Musikalische Leitung: Daniele Squeo
Chorleitung: Ulrich Wagner

10 Kommentare:

  1. Ich finde diese Analyse äußerst zutreffen! Sehr traurig, aber leider ebenso zutreffend.
    Es ist eine Schande, daß man diesem fantastischen Sängerensemble keine szenische Umsetzung ermöglicht hat! ....und, ja, das wird wieder Besucher enttäuschen, abschrecken, und sie werden sich zunehmend umorientieren. Was hätte man, selbst mit einfachen Mitteln, aus dem Stück mit dieser fantastischen Leitung von Squeo machen können!? Eine Aufführung, die ähnlich der Zauberflöte, Traviata und Figaro ein Jahrzehnt und mehr gespielt werden kann! Ein Jammer, wirklich!

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    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar!
      Der Intendant hat leider nicht verstanden, daß Offenheit und Transparenz grundlegend für Verständnis ist. Wenn man dem Publikum erklärt, wie man sparen will und daß eine Opernproduktion deshalb einfacher ausgestattet wird, würde sich niemand beschweren. Man kann diese Oper reduziert inszenieren, leerer Raum + etwas Requisite sind ok, Licht und Farbe, eine geschickte psychologische Interpretation - es braucht nicht viel, um diese Oper auf die Bühne zu stellen. Und vor allem dann, wenn das Publikum Bescheid weiß über die Gründe, ist eine minimale Umsetzung ausreichend. Aber ein Theater, das sich so gar keine Mühe gibt, unerwartet die Leistung herunterschraubt und die Preise nicht senkt, darf sich nicht beschweren, wenn vor allem das mit dem Haus weniger vertraute Abo-Publikum sich mit dieser Maßnahme vor den Kopf gestoßen fühlt.

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  2. Man hat andere Alternativen gehabt. Man könnte Elemente des Prokovjev-Ballets verwenden, man hätte sogar das Bühnenbild von Bellinis Capuleti reaktivieren können. Zum vollen Preis nichts zeigen ist eine Frechheit. Ich werfe mit Eiern nach dem Intendanten

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    1. Vielen Dank! Ja, man hätte mit wenig Aufwand und ein wenig Erklärung hier etwas auf die Bühne stellen können. Improvisieren ist schon immer die Kunst des Theaters gewesen. Das hat Intendant Spuhler anscheinend vergessen.

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  3. Man könnte sich ein Beispiel an der Musikhochschule Karlsruhe nehmen, die kürzlich mit geringem Etat eine tolle Aufführung der FLEDERMAUS aufgeführt hat.

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    1. Ja! Danke für das gute Beispiel! Ich hab die Fledermaus an der HfG leider nicht besuchen können.

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  4. Auch ich sehe, dass es viel weniger Oper gibt als früher, und hätte mir ebenfalls eine Erklärung gewünscht für diese Entscheidung.
    Ich sehe jedoch keinen Grund, die Preise zu senken. Für Konzerte (ebenfalls ohne Bühnenbild) zahlen wir zu Recht auch keine ermäßigten Preise. Und bei Semele bekommen wir zum Ausgleich eine Inszenierung für ein Oratorium, das eigentlich in den Konzertsaal gehört.
    Ich erkenne allerdings in der Semele-Regie keinen Mehrwert, weil sie nur eine einzige Ebene dieses vielschichtigen, mehrdimensionalen Werkes inszenierte: Die politische und den Bill Clinton-Gag.
    Zurück zu Gounod: Ich genieße jeden Abend, der nicht durch einen Regisseur verdorben wird, welcher sich mit irgendwelchen Ego-Nummern in den Vordergrund spielt. Man sollte die Kraft der Fantasie des Publikums nicht unterschätzen: Ich mache mit meine eigenen Bilder, meine eigenen Gedanken über die Bedeutung dieser Oper für die Gegenwart und werde nicht durch eine Interpretationen des Regisseurs gegängelt. Da die musikalische Qualität stimmt, habe ich damit für diesmal keine Probleme.
    Ernst Ott

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    1. Wenn Sie so für Werktreue sind: Gounod hat sicher nicht beabsichtigt, seine Oper konzertant aufführen zu lassen. die Oper "schreit" geradezu nach einer szenischen Aufführung mit Ball, romantischer Zweisamkeit, grellen Fechtszenen usw. Ja, die geniale Musik beflügelt unsere Phantasie - aber die Bilder dazu wären gerade mit dem jungen Personal in Karlsruhe bestens umzusetzen gewesen.
      Über eine Preisermässigung lässt sich streiten, aber dass das Geld anderweitig verprasst wird, ist unschwer zu erkennen, wie auch der Honigsammler richtig beschreibt: Ein aufgeblähter Apparat von nicht künstlerisch tätigem aber hochbezahltem Personal, ein Intendant, der mit Politik und Kirche vernetzter Showman und PR-Mann, dies aber nur für die eigene Person ist, zu teure und zu viele Programm - und Spielzeithefte, die herumliegen oder nach einiger Zeit in Metallkisten um Mitnahme "betteln"uvam.
      Es ist schade, dass diese Oper und all ihre hervorragenden Mitwirkenden vom Publikum wahrscheinlich links liegengelassen werden - sie haben es nicht verdient!

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    2. Ich empfinde es ebenso. Die Musik 'schreit' geradezu nach einer szenischen Darbietung!
      Mit einer richtig schlimmen Inszenierung kann man natürlich jedes Stück versauen, das kann doch aber kein Grund sein, so eine Oper, in der eben prachtvolle Ballmusiken und Streit-und Kampfszenen zu hören sind, dann konzertant aufgeführt wird!
      Das ist eben nicht Oper! Oper ist ein Gesamtereignis aus Musik, Gesang, Kulisse und Licht, Darstellung und Kostüm, nicht zusammenhangloses hintereinander absingen verschiedener Musiknummern.
      An der Musikhochschule macht man sowas zum Üben, wenn man eine CD aufnehmen will muß es so sein, ansonsten gilt, dafür ist die Musik nicht komponiert und es ist eine Beleidigung für den Komponisten!

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    3. Vielen lieben Dank Herr Ott!
      konzertante Aufführungen können wertvolle Erfahrungen vermitteln und Oper rein akustisch anders erlebbar machen. Nichts spricht dagegen solange es eine Zusatz-Erfahrung ist. Hätte man der üblichen Anzahl an Opernproduktionen noch eine konzertante hinzugefügt oder sogar mal wieder eine Oper im kleinen Haus inszeniert (wie früher bspw. Rossini, Nyman oder insbesondere zwei Produktionen, an die ich mich sehr gerne erinnere: Donizettis "Viva la mamma" und Scarlattis "Trionfo dell onore"), dann hätte ich vor diesen Plus-Leistung den Hut gezogen. Hier geht es leider um Minus-Leistungen. Der entscheidende Punkt bei dieser Oper ist leider mal wieder nicht künstlerisch (so toll es akustisch auch war), sondern liegt in der Art ihres Zustandekommens begründet.
      Die Oper ist nicht von der Politik klein gespart, sie ist vom Intendanten klein gemacht.

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